<24> seinem Regiment fast vernichtet, und die Landtruppen waren so vernachlässigt, daß sie im ersten Feldzuge von 1733 ihre Zelte nicht aufschlagen konnten. Bei einigen Talenten für die innere Verwaltung galt dieser Minister in Europa für schwach und arglistig, Fehler, die er von der Kirche hatte, in der er erzogen war. Indessen hatte er durch seine gute Wirtschaft dem Königreich die Mittel zur Tilgung eines Teiles der ungeheuren, unter der Regierung Ludwigs XIV. angesammelten Schulden verschafft. Er half der Unordnung ab, die unter der Regentschaft eingerissen war, und unter kluger Finanzwirtschaft erhob Frankreich sich wieder aus der Zerrüttung, die Laws System1 verschuldet hatte.

Zwanzig Friedensjahre brauchte diese Monarchie, um sich von ihren zahlreichen Schicksalsschlägen zu erholen. Der Minister Chauvelin, der unter dem Kardinal arbeitete, riß das Reich aus seiner Untätigkeit und setzte jenen Krieg des Jahres 1733 durch, dessen Vorwand die Wahl des Königs Stanislaus war, durch den Frankreich aber Lothringen gewann. Die Höflinge in Versailles sagten, Chauvelin hätte dem Kardinal den Krieg wegstibitzt, aber der Kardinal hätte es mit dem Frieden ebenso gemacht. Chauvelin, dem der Kamm schwoll und der triumphierte, daß sein Probestück ihm so gut gelungen war, schmeichelte sich, der Erste im Staate werden zu können. Dazu mußte er den, der es war, verdrängen; er sparte keine Verleumdung, um den Prälaten bei Ludwig XV. anzuschwärzen. Allein der König, der den Kardinal noch immer für seinen Erzieher hielt und in seiner Abhängigkeit blieb, erzählte ihm alles wieder, und Chauvelin wurde das Opfer seines Ehrgeizes. An seine Stelle setzte der Kardinal Amelot, einen Mann ohne Genie. Aber der Premierminister konnte ihm unbedenklich vertrauen, weil ihm das Talent fehlte, gefährlich zu werden.

Infolge des langen Friedens, den Frankreich genossen hatte, war im Heere die Reihe der großen Feldherren unterbrochen. Villars, der den ersten Feldzug in Italien geführt hatte2, war gestorben. Broglie, Noailles, Coigny waren Mittelmäßigkeiten; Maillebois war nicht besser. Dem Herzog von Noailles warf man vor, daß es ihm an kriegerischem Impuls und an rechtem Selbstvertrauen fehlte. Eines Tages fand er einen Degen an seiner Tür hängen mit der Inschrift: „Du sollst nicht töten.“ Die Talente des Marschalls von Sachsen3 hatten sich noch nicht entwickelt. Von allen Generalen war der Marschall Belle-Isle am populärsten; man hielt ihn für die Stütze der Mannszucht. Er war ein Mann von umfassendem Geist, ein glänzender Kopf, von verwegenem Mut, ein leidenschaftlicher Soldat, aber ein Phantast durch und durch. Die Pläne, die er schmiedete, gestaltete sein Bruder aus. Man sagte: der Marschall ist die Einbildungskraft und sein Bruder der Verstand4.

Seit dem Wiener Frieden war Frankreich der Schiedsrichter Europas. Seine Heere hatten in Italien wie in Deutschland triumphiert. Sein Gesandter Villeneuve


1 Der Schotte John Law hatte 1716 eine Notenbank errichtet, deren Bankrott 1720 zu einer allgemeinen Katastrophe führte.

2 Während des Polnischen Erbfolgekrieges; er starb 1734.

3 Graf Moritz von Sachsen, Marschall von Frankreich (1696—1750).

4 Vgl. S. 6. 7.